Die Notwendigkeit der Disziplin
Lean Management bildet die Brücke zwischen operativer Exzellenz und strategischer Anpassungsfähigkeit. Die reine Fokussierung auf Verschwendung (Muda) greift zu kurz. Lean ist eine umfassende Philosophie, die die Disziplin bereitstellt, um agile Arbeitsweisen langfristig tragfähig zu verankern.
Das aus dem Toyota Production System (TPS) entstandene Managementsystem richtet den gesamten Wertschöpfungsprozess kompromisslos auf Kundennutzen aus. Ziel ist die Eliminierung aller Tätigkeiten, die keinen Mehrwert schaffen. Der Grundsatz der kontinuierlichen Verbesserung (Kaizen) fördert eine Kultur, in der jedes Teammitglied aktiv Probleme identifiziert und löst [2].
Die strategische Bedeutung von Lean für Agilität zeigt sich vor allem im Umgang mit den drei zentralen Effizienzhemmnissen [1]:
Muda (Verschwendung):
Die Reduktion der sieben klassischen Verschwendungsarten – etwa Wartezeiten, Überproduktion oder unnötiger Transport – senkt nicht nur Kosten, sondern schafft Freiräume für Innovation. Diese neu gewonnene Kapazität ermöglicht es agilen Teams, schneller zu experimentieren und flexibel auf unvorhergesehene Anforderungen zu reagieren.
Muri (Überlastung):
Lean-Prinzipien wie Taktzeit oder standardisierte Arbeit verhindern Überlastung. Gerade in agilen Umgebungen, in denen kurze Iterationen und hohe Taktung üblich sind, beugt Lean übermäßigem Druck, Burnout und Qualitätsverlust vor.
Mura (Unausgeglichenheit):
Lean strebt einen gleichmäßigen Arbeitsfluss an. Ohne diesen stabilen Rhythmus können agile Teams keine verlässlichen Zusagen zur Lieferfähigkeit treffen. Schwankungen führen unweigerlich zu Engpässen und unvorhersehbaren Ergebnissen.
Lean bildet damit die Effizienzachse, auf der agile Geschwindigkeit überhaupt erst sinnvoll entstehen kann.
Lean und Agile: Stabilität und Flexibilität als komplementäre Kräfte
Die Verbindung von Lean und Agile ist eine der wirksamsten Antworten auf die Anforderungen der VUKA-Welt. Lean schafft Stabilität und Klarheit; Agile sorgt für Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft [4].
Agile strukturiert die Flexibilität:
Agile Iterationen ermöglichen schnelle Anpassungen, indem Arbeit in kleine, regelmäßig überprüfbare Inkremente zerlegt wird.
Lean sichert die Stabilität:
Lean gewährleistet, dass Prozesse effizient, entschlackt und skalierbar sind. Ohne diese Grundlage geraten agile Teams regelmäßig ins Stocken, weil sie durch Engpässe oder unnötige Prozessschritte behindert werden.
Strategischer Mehrwert der Kombination
Wertstromanalyse als strategische Entscheidungsbasis:
Lean bietet mit der Wertstromanalyse (Value Stream Mapping) ein Werkzeug, das den gesamten Prozess aus Kundensicht sichtbar macht. Unternehmen erhalten damit Klarheit darüber, welche Abläufe überhaupt agilisiert werden müssen [5]. Es hilft, die richtigen Dinge zu tun, bevor man sie schnell tut.
Qualität durch eingebaute Qualität (Built-In Quality):
Lean fordert, Qualität unmittelbar im Prozess sicherzustellen (Jidoka) statt Fehler erst am Ende zu entdecken. Dies beschleunigt agile Zyklen erheblich, da Nacharbeit reduziert wird. Nur stabile, fehlerarme Prozesse können schnell iteriert werden.
Schlussfolgerung
Ohne die disziplinierte Ausrichtung auf den Wertstrom wird Agilität schnell zu hektischer Aktivität ohne messbaren Nutzen. Lean schafft die strukturelle Grundlage, damit Agilität wirksam wird. Unternehmen, die beide Ansätze kombinieren, entwickeln eine Organisation, die gleichzeitig anpassungsfähig und wirtschaftlich stabil ist [4]. Wandel wird dadurch nicht zum Risiko, sondern zu einer routinierten, kontrollierten Vorgehensweise.
Quellen
[1] Ohno, T. (1988): Toyota Production System: Beyond Large-Scale Production. Productivity Press.
[2] Liker, J. K. (2004): The Toyota Way. McGraw-Hill.
[3] Womack, J. P.; Jones, D. T. (2003): Lean Thinking. Free Press.
[4] McKinsey & Company: Lean und Agile: Effizienz und Geschwindigkeit im Zusammenspiel.
[5] Lean Enterprise Institute: Value Stream Mapping.
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